(Motorsport-Total.com) - Der Franzose Franck Perera ist ein echtes Stehaufmännchen: Ende 2023 flog der 40-Jährige nach einem schwierigen SSR-Jahr aus der DTM, obwohl er zu Saisonbeginn den ersten Lamborghini-Sieg der DTM-Geschichte eingefahren hatte. Doch beim vergangenen DTM-Wochenende auf dem Norisring gelang Perera als Grasser-Ersatzmann ein Comeback - und fuhr als Zweiter sensationell auf das Podest!
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Karriere als Achterbahnfahrt: Franck Perera spricht offen über schwierige Zeiten Zoom
Dass sich der ehemalige Formel-Rivale von Lewis Hamilton durch Rückschläge nicht so leicht aus der Bahn werfen lässt, hat womöglich mit seiner Geschichte zu tun: Denn 2006 war er als Toyota-Ersatzmann auf dem Sprung in die Formel 1, vier Jahre später schien die Karriere zu Ende. "Es war vorbei", korrigiert Perera im Gespräch mit Motorsport-Total.com.
"Ich hatte komplett aufgehört. Ich bekam Depressionen, gesundheitliche Probleme, viele Probleme. Und ich wollte auch aufhören, denn ich war ein bisschen müde von diesem Sport und allem. Das war ein schwieriger Zeitpunkt."
Wie "Mosquito" zu Toyotas Formel-1-Hoffnung wurde
Dabei schien es für Perera auf dem Weg in die Formel 1 zunächst wie geschmiert zu laufen: 1998 wurde er Kart-Junioren-Weltmeister, im Jahr darauf Kart-Champion der Formel-A-Klasse. Das brachte ihm den Spitznamen "Mosquito" ein - und 2001 einen Platz im Juniorenprogramm des neuen Toyota-Formel-1-Teams. Statt einem gewissen Felipe Massa.
Auch im Formelsport zeigte Perera sein Talent: 2005 wurde er in der Gesamtwertung der Formel-3-Euroserie Vierter, vor Sebastian Vettel. Und beim GP2-Highlight des Jahres in Monaco jagte er 2006 den späteren Meister Hamilton durch die engen Gassen im Fürstentum und wurde Zweiter.
"Wenn man in den Serien nach oben will, hilft manchmal Politik. Der richtige Motor oder so", sagt Perera, der laut eigenen Angaben nicht immer das beste Material hatte.
"Sicher einige falsche Entscheidungen getroffen"
Heute gibt er zu, auf dem Weg in die Formel 1 schlecht beraten gewesen zu sein. "In den GP2-Jahren war ich nicht im richtigen Team. Ich hatte keinen Manager, habe sicher einige falsche Entscheidungen getroffen. Manchmal hört man in dieser Welt auf die falschen Leute."
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Bild aus dem Jahr 2001: Perera als Formel-1-Nachwuchsmann bei Toyota Zoom
Zudem habe ihm auch teilweise die nötige Bodenhaftung gefehlt: "Ich war wirklich jung - und wahrscheinlich zu dieser Zeit ein bisschen arrogant. Ich war nah dran am Ziel - und alle sagen dir: 'Du bist gut, du wirst es in die Formel 1 schaffen.' Es ist nicht einfach, damit umzugehen."
2004 und 2005 durfte er in Jerez den Formel-1-Boliden von Toyota testen, hatte sogar die nötigen Kilometer für die Superlizenz absolviert. "Es war ein Traum, zumindest ein Formel-1-Auto zufahren. Speziell damals waren die Autos verrückt", erinnert er sich. "Dann kam die Wirtschaftskrise, und Toyota hat mit der Formel 1 aufgehört."
"Ich war wirklich am Boden"
Perera wechselte in die USA - und wurde 2007 in der Indy-Vorstufe Formel Atlantic "Rookie of the Year". Im Februar 2008 fuhr er bei einem Champ-Car-Test in Sebring alle in Grund und Boden und stellte einen Rundenrekord auf, war sogar schneller als Simon Pagenaud, der ebenfalls für das Conquest-Team testete. Doch noch im selben Monat wurde die Zusammenlegung mit der Indy-Racing-League bestätigt.
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Perera kam nur zu vereinzelten Renneinsätzen - ohne Mitgift war auch in den USA nichts auszurichten. "Die Leute sagen dir, dass du gut bist, aber das Problem ist, dass du kein Geld hast", erzählt er. "Dadurch verlierst du die Leidenschaft."
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Beim Champ-Car-Test brillierte Perera, doch erneut gab es ein böses Erwachen Zoom
Perera stürzte im Alter von 26 Jahren in eine große persönliche Krise. "Ich war wirklich am Boden", erinnert er sich an die Jahre 2011 und 2012, als der Traum geplatzt schien. "Es gab einen Moment, da habe ich meine Eltern angerufen, weil ich nach Hause wollte. Es ging in die falsche Richtung. Mir ging es wirklich schlecht."
Bar statt Rennstrecke
Perera kämpfte mit Depressionen, jobbte als Barkeeper, Kellner und Chauffeur in Nizza - und hatte wegen gesundheitlicher Probleme zehn Kilo zugenommen. Auch dank psychologischer Hilfe ging es wieder aufwärts - und 2012 ergab sich die Gelegenheit, in der französischen GT-Meisterschaft mit einem Gentleman-Driver einen Porsche 997 GT3 R zu fahren.
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"Ich war mental und körperlich weit weg, mit dem Rennfahren wieder anzufangen", sagt er. "Aber wenn du dann wieder ins Auto einsteigst, etwas machst und plötzlich wieder gut bist, denkst du dir: Vielleicht kann ich eine neue Karriere beginnen?"
Und so arbeitete sich Perera über den GT-Sport nach oben, war Ende 2016 drauf und dran bei Audi zu unterschreiben, ehe der Diesel-Skandal aufpoppte. Nach einer Saison im HTP-Mercedes holte ihn Grasser - und gewann mit ihm Anfang 2018 den 24-Stunden-Klassiker in Daytona.
Wie sich Perera zum Lamborghini-Werksfahrer hinaufarbeitete
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20 Jahre danach: Franck Perera jubelt über seinen zweiten Platz in Nürnberg Zoom
Daraufhin wurde er von Lamborghini zum Werksfahrer gemacht, wo er sich bis heute etabliert hat. Und deutlich gereift wirkt. "Ich glaube an mich, weiß, was ich kann", sagt er selbstbewusst. "Wenn ich es nicht zusammenbringe, dann weine ich nicht. Es gibt viele Fahrer, die dann ein großes Drama machen. Als wäre es das Ende der Welt, wenn man zwei, drei Zehntel langsamer ist."
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Auch er wolle "der Beste sein, aber manchmal ist es nicht dein Tag. Ich glaube, dass ich das besser als in der Vergangenheit akzeptieren kann. Morgen kann schon wieder alles anders sein." So wie 2024 am Norisring, als Perera alle überraschte. Womit sich übrigens der Kreis schließt: Denn schon vor genau 20 Jahren stand er im "fränkischen Monaco" als vielversprechende Formel-3-Hoffnung mit Sieger Hamilton und Loic Duval auf dem Podest.