Eva Herzigova: „Zu meiner Zeit kamen die Models aus dem Nichts“ - WELT (2024)

Eva Herzigova: „Zu meiner Zeit kamen die Models aus dem Nichts“ - WELT (1)

Vor wenigen Monaten schien die Welt von Gerry Weber noch in Ordnung. Zum Tennisturnier der Modefirma in Halle wurde Eva Herzigova mit dem Privatjet eingeflogen, im weißen, maßangefertigten Kleid erschien sie zum Festakt im Turnierzelt, himmelte Roger Federer an, tanzte mit Mutter und Schwester bis in die Nacht. Gute Laune allenthalben: Gerry Weber konnte einen echten Weltstar der Modeszene vorweisen, in Zusammenarbeit mit Herzigova ist für den Herbst eine Kollektion entstanden.

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Diese Kapselkollektion kommt nun in die Läden. Der Glanz des kühl-blonden Models soll Gerry Weber über die schlechten Nachrichten der vergangenen Wochen hinweghelfen: Das Modeunternehmen steckt in der Krise, die Gründerfamilie zog sich aus dem Vorstand zurück, ein Sanierungsgutachten wird gerade erstellt. Irgendwie tut sich das Unternehmen schwer mit der modernen Modewelt, die von Social-Media-Followern und schnellem Onlineshopping geprägt ist.

Vielleicht ist Eva Herzigova aber die richtige Frau, um einer Marke den Sprung in eine neue Zeit zu erleichtern. In den 90er-Jahren zählte die gebürtige Tschechin zur großen Generation der Supermodels, sie wurde als „Miss Wonderbra“ auf Billboard-Plakaten weltberühmt – nicht per Instagram-Likes.

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Weil man sich auf Ruhm aber nicht auf ewig verlassen kann, musste auch die 45-Jährige Wege finden, mit der Zeit zu gehen, die Veränderungen der Branche zu verstehen. Beim Interviewtermin erklärt sie mit rauer Stimme und ätherischen Gesten, dass sie erst gar keine Lust auf Instagram verspürt habe – inzwischen hat sie 247.000 Follower. Ihr Millennial-pinkfarbener Hosenanzug, den Herzigova zum Interview trägt, ist aber auch sehr Instagram-tauglich.

ICONIST: Hat sich Ihr persönlicher Stil über die Jahre verändert?

Eva Herzigova: Auf jeden Fall! Als ich jung... also, jünger war (lacht), trug ich gern superkurze Shorts, oft Highheels; damit braucht mir heute keiner mehr ankommen. Inzwischen trage ich fast nur noch flache Schuhe. Allerdings war ich schon immer ein praktischer Typ, ich mag es minimalistisch. Und ich achte auf angenehme Materialien. Aber es ist doch so: Man entscheidet sich im Leben immer wieder neu, wer und wie man sein möchte, dazu gehört auch, dass sich die Kleidung ein bisschen verändert.

ICONIST: Denken Sie denn oft über sich selbst nach? Wer sie sind, wohin Sie sich entwickeln?

Herzigova: Ach, das macht man ja gar nicht so bewusst. Von außen sieht man Veränderungen oft sogar schneller. Ich glaube sogar, dass niemand wirklich weiß, wer er ist. Man hat eine Idee von sich selbst, die aber auch immer wieder ins Wanken geraten kann. Manchmal wäre es schön, einen Schneewittchen-Spiegel zu haben, der mit einem spricht und genau sagt: Du bist so und so.

In den 90er-Jahren war die Modelbranche noch eine andere

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ICONIST: Sie arbeiten seit vielen Jahren in der Modebranche, sind ständig von tollen Kleidern umgeben, werden zurechtgemacht, fotografiert. Verlieren Sie nie das Interesse an Mode?

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Herzigova: Mode als solche hat mich nie so sehr interessiert. Mich begeistert an diesem Business die Fotografie, die Inszenierung. Mit talentierten Leuten Fotos zu machen, an einer Vision zu arbeiten, das erfüllt mich. Ich wollte übrigens Fotografin werden, bevor ich mit dem Modeln angefangen habe, und noch heute versuche ich, bei Shootings immer etwas zu lernen. Ich wollte ja auch nie wirklich Model werden. Es überrascht mich deshalb immer noch, was aus mir geworden ist. Der gesellschaftliche Status, den ich erreicht habe, die Berühmtheit, das alles kommt mir vor wie ein Ergebnis, auf das ich eigentlich nie hingearbeitet habe, wissen Sie?

ICONIST: Aber ein Ergebnis, mit dem Sie ganz zufrieden sind, oder?

Herzigova: Natürlich! Ja, doch. Sehr zufrieden. Es ist nur für mich selbst immer noch irgendwo faszinierend, wie sich das alles entwickelt hat. Als ich mit dem Modeln anfing, hörten die meisten Frauen in diesem Beruf mit spätestens 25 wieder auf. Seither hat sich das Frauenbild total gewandelt. Man interessiert sich jetzt für Frauen mit Lebenserfahrung, für Frauen, die ein bisschen was zu erzählen haben. Das spiegelt sich auch in den Jobs wieder, die erwachsenen Frauen im Modebusiness angeboten werden. Plötzlich tauchen Jane Fonda, Julia Roberts, Isabella Rossellini in Werbekampagnen auf. Schönheit wird nicht mehr nur mit Jugend gleichgesetzt. Frauen gewinnen an Identität.

ICONIST: Auch Ihre Supermodel-Kolleginnen aus den 90er-Jahren rücken gerade wieder mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Plötzlich sieht man etwa Claudia Schiffer und Cindy Crawford wieder überall. Woran liegt das?

Herzigova: Naja, wirklich weg waren wir nie! Warum man sich für uns als Personen wieder mehr interessiert, hat, denke ich, mit der #metoo-Bewegung zu tun. Es findet im Moment eine gewisse Aufarbeitung der 90er-Jahre statt, man versucht, sich daran zu erinnern, was in der Branche eigentlich los war. Ob sich die Männer wirklich so schlecht benommen haben. Damals hat man Frauen noch ganz anders gesehen und behandelt. Man war nur interessant als Frau, wenn man jung und schön war. Wir Models von damals haben in diesem Zusammenhang auch unsere Geschichten zu erzählen.

Iconist: Wie hört sich Ihre an?

Herzigova: Ich freue mich über #metoo. Diese Bewegung war dringend notwendig. Ich persönlich hatte sehr viel Glück und musste keine schlimmen Erfahrungen machen. Aber es gibt genügend Models, denen es anders ergangen ist, die nicht so problemlos durchgekommen sind. Es müssen Regeln her, um junge Models zu schützen. Und ich finde es auch richtig, dass die Branche bestimmte Leute endlich absägt.

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ICONIST: Nun hat sich Ihr Beruf ziemlich gewandelt. Durch die sozialen Medien haben Models eine eigene Stimme. Was denken Sie, wenn Sie die jungen Supermodels von heute sehen, Kendall Jenner, Gigi Hadid? Führen die ein anderes Leben als Sie damals?

Herzigova: Kendall und Gigi sind auf eine ganz andere Art berühmt geworden als wir damals. Sie kommen aus reichen Familien, haben einen ganz anderen Hintergrund. Zu meiner Zeit kamen Models aus dem Nichts, damals passierten noch diese Cinderella-Geschichten. Diese sehr berühmten Models sind häufig ohnehin schon als kleine Prinzessinnen aufgewachsen, und sie nutzen schlicht die Chancen und Vorteile, die sich ihnen eröffnen, etwa durch Fernsehshows. Ich meine, warum nicht? Die jungen Social-Media-Models sind smart und schnell. Daran ist wirklich nichts verkehrt. Es ist einfach anders als früher, damals wurde man viel langsamer berühmt. Ich bin nur neugierig, wie sich das alles weiter entwickeln wird. Häufig ist es ja so: Je schneller ein Phänomen auftaucht, desto schneller verschwindet es auch wieder. Ich frage mich einfach, von welcher Langlebigkeit diese Art von Prominentenstatus sein mag.

ICONIST: Es kann aber auch schwierig sein, in der Modebranche als junge Frau ernst genommen zu werden. Haben Sie einen Tipp, was man da tun könnte?

Herzigova: Es ist sehr wichtig, dass man Leidenschaft entwickeln kann. Nicht nur für sich selbst, auch für andere. Sobald man sich mit den Mitmenschen beschäftigt und die Gedanken nicht nur um einen selbst kreisen, ist das schon mal gut. Einfach mal für andere etwas tun.

ICONIST: Finden Sie, dass Frauen einander zu wenig unterstützen? Es heißt ja immer, dass Frauen einander das größte Hindernis sind, weil sie so gemein werden können.

Herzigova: Wirklich, ist das so? Hm. Ich weiß nicht.

ICONIST: Haben Sie das nie erlebt?

Herzigova: Ich denke, dass Frauen einander oft überdrüssig sind. Sie sind wie Katzen, die die Herrscherinnen in ihrem eigenen kleinen Königreich sein wollen. Sie wollen nicht teilen. Aber ich glaube schon, dass es Unterstützung unter Frauen geben kann. Die Art, wie sich Männer helfen, ist vielleicht alltäglicher, sie sind eben Buddys, die einander Gefallen tun. Frauen können sehr kühl sein. Aber wenn man mal wirklich ernsthaft Hilfe braucht, dann sind es am Ende immer die Frauen, die zur Stelle sind.

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